als zweiter Beitrag zur Impulswerkstatt
von Myriade und Frau Flumsel nun ein Prosatext. Eine Kurzgeschichte? Oder zwei?

Liebesgeschichte?
Tag für Tag. Auch heute Abend geht sie am Wassersaum entlang bis zum Liebenden Paar, fern vom bevölkerten Badestrand.
Ins Gespräch vertieft mit ihrem Gefährten, wie seit Jahrzehnten in den Sommermonaten. Nur dass er seit diesem Jahr nicht mehr neben ihr geht, ihre Hand nicht mehr hält, nirgendwo.Tag für Tag. Auch an diesem Morgen geht er am Wassersaum entlang, vorbei an dem riesigen Findling fern vom Badestrand, zu dem er strebt.
Leere in ihm seit ihrem Tod. Sein Blick schweift über die Menschen, die ihm begegnen, gleitet ab und über das Wasser. Nur selten hält ihn ein Lächeln.
Mich machen beide Geschichten, die wie Zahnräder ineinander greifen und doch jede für sich bleibt, traurig.
Sehr gelungen, weil sie bei jeder und jedem etwas anderes auslöst und am Ende ist es immer die Lesende, der Lesende, die ihre Gedanken und Gefühle zu den Autor.innen zurück tragen.
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Diese Offenheit, die ich als Leserin schätze, versuche ich auch in meinen eigenen zu wahren. Jedenfalls in denen, die ich ernst meine.
Eine Geschichte ist letztlich doch erst fertig, wenn sie gelesen wird, sonst bleibt sie ein Gespenst, ein Widergänger zwischen den Welten.
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Das hast du sehr treffend ausgedrückt, liebe Ule!
Ich habe heute mit der Lektüre von Annie Ernauxs Buch „Die Scham“ angefangen. Annie Ernaux schreibt autobiographisch, auch hier gilt, dass manche Geschichten eben erzählt werden müssen/wollen. Für mich bleibt immer die Frage, wie offen will ich wirklich sein? Die zweite, was mute ich meinen Leser.innen zu? Ab da wird es spannend: wie und was lesen sie in meinen Geschichten?
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Offenheit wird hier zweideutig: zum einen meint sie, wie offen du deinen Leserinnen dein Innenleben darbieten und ihnen damit etwas zumuten willst, oder im Gegenteil, wie offen (also uneindeutig, vage) du deine Informationen gestaltest und damit den LeserInnen Interpretationsforderungen zumutest. Beides Wege, die es in der Literatur gibt. Was die LeserInnen mit deiner Offenheit interpretatorisch anfangen, liegt aber in deren Verantwortung. Vorausgesetzt, dass du sie nicht gezielt in die Irre schickst, dann bist du vielleicht auch für ihre Irrtümer mitverantwortlich.
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Gezieltes in die Irreführen liegt mir nicht.
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Lach! Nein, wirklich nicht, liebe Ulli. Du kommst mir vor, wie ein schon fast selbstgefährdend geradliniger Mensch.
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Bin ich der einzige Mann hier?
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Im Moment ja … das spielt aber in Blogistan noch eine geringere Rolle als im richtigen Leben.
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Ich hörte einst eine bettlägerige, kranke Frau davon reden, wie ihr – immer wieder – ein Traum des Nachts erschien, in dem sie mit ihrem verstorbenen Mann einen wunderbare Allee entlang geht.
Dieses Traumgeschehen war offenbar so stark und so fein, daß es ihre Mühen aufhob.
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Wie beglückend muss ein solches Traumgeschehen sein …
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Diese Geschichte begleitet mich schon mind. 15 Jahre…
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So etwas vergisst man nicht.
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Wenn es einem was bedeutet…
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Thank you for sending an English text…in just a few sentences you have created a whole film, an atmosphere of poignancy. And the clever thing is that the text opens like a book with facing pages that don’t really mirror each other but have certain echoes, or like layers of reflections on the windows of a busy street. Sometimes it’s good to have the limitation of a particular form to work within, right? The photo and prompt got your mind going. 🙂
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I love your photographic view in reading the text. It enriches what I wrote in a way, which I have always been looking for when writing poetry and combining photos to that.
Restriction seems to be always a powerful challenge to what I do. Life pattern?
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Das geht ganz tief…
Und ich weiß, dass du weißt…
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Ja. Und du.
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Ja. Ich auch.
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Liebe Ule, was für eine Preziose! Dass Du aus einer in Stein gemeißelten Zweisamkeit zwei aufeinander hin komponierte Geschichten zweier Einsamer machst, denen die Zweisamkeit unwiderruflich genommen ist – wow! Ich finde ja, die beiden verbindet mehr als es die gegensätzlich gewählte Tageszeit glauben machen will. Das Wiederaufnehmen von Wörtern wie „fern“ und „hält (und natürlich auch „Wassersaum“ und der gemiedene „Badestrand“) – das schafft einen Gleichklang im Verschiedenen – nein, sie werden sich nicht treffen, aber auch das verbindet sie. Eine starke Geschichte! Chapeau!
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Danke. Es verbindet sie Sprachliches und Konstruktives, ja. Sonst nicht viel. Genau das war für mich der Reiz. Der Versuch, Prosa so zu konzentrieren wie ein Gedicht, so zu verdichten, wie steinernes Material. Zu einer anderen Art von Doppelfigur.
Deine Lesart zeigt mir, dass es geht. Gut.🙂
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Preziose ist ein gutes Wort!
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Eine spannende (Ausgangs)Situation hast du da geschaffen und du setzt damit ja auch wieder einen Impuls zum Weiterspinnen. In meinem nächsten Beitrag kommt dann mein Bild. Es passt und es passt auch nicht. 😉 Herzlich, Petra
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Das wird ja ein ungewöhnlich vieleckiges Resonanzmuster, liebe Petra. Ich sehe erwartungsvoll deinem nächsten Schritt entgegen.
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Ich sehe den Zusammenhang mit dem Blick, der nur bis zur nächsten Insel geht/gehen kann/gehen will.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man sich von jemandem trennen kann, freiwillig, und froh sein über die Trennung und dennoch regelmäßige Gespräche im Kopf mit ihm führt. Umso eher kann man das, wenn die Trennung nicht freiwillig und außerdem endgültig war.
Jedenfalls mag ich den Zusammenhang zwischen den beiden Texten, hervorgegangen aus demselben Stein. Vielen Dank für die inspirierenden Beiträge !
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Der Zusammenhang war nicht bewusst beabsichtigt, aber ich sehe ihn jetzt auch. Der „Blick“ spielt ja explizit in beiden eine Rolle. Die Kopfgespräche kenne ich gut, ja –
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Noch ist sie ganz verbunden mit ihrem Toten, während er schon schweift. Sie angefüllt, er leer. Zwei Parallelgeschichten, und man fragt sich, ob sich Parallelen in der Ewigkeit wohl schneiden?
Gut, dass du die Geschichte nicht ausführen musst, Es könnte leicht in Kitsch enden. Wenngleich, warum eigentlich nicht zwei vereinsamte Seelen zusammenführen?
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Danke, Gerda.
Nee, nee, eine Zusammenführung ist nicht vorgesehen. Man beachte die Tageszeiten …
Da sie so ist, wie sie ist, liegt der Kitsch wohl außerhalb der Geschichte.
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Kitsch hin oder her, es wäre doch schön, sie treffen sich mal. ZB wenns vormittags regnet, und er daher erst am Nachmittag zum Strand aufbricht. Und sie ihren Spaziergang vorverlegt, weil es schon wieder nach Regen ausschaut. Das Wetter auf dem Foto könnte solche Lösung nahelegen 🙂
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Ich sehe schon, du stehst auf Happy Endings,Gerda.😊
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Ja, wenn irgend möglich… Da ich mich mit fiktiven Figuren gern identifiziere, wünsche ich ihnen immer das beste. In meinem eigenen Romanfragment konnte ich es einfach nicht über mich bringen, jemanden sterben zu lassen – wahrscheinlich ein Grund, warum ich kein Ende finden konnte…. 🙂
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Das kann man ja nicht wissen, ob es für die beiden das beste wäre, einander zu treffen. Geschriebenes ist ja nicht Gelebtes.
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natürlich nicht, liebe Ule. Aber als Autor hast du die Verantwortung für den Fortgang.
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Nein. Ich habe Verantwortung für das, was ich geschrieben habe. Den Fortgang verantwortet jede Leserin selbst.
Saint-Exupéry gilt für das Leben. In der Literatur nicht über den Text hinaus.
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Hach – alles ist möglich – wie schön. Da spinne ich in Gedanken mal weiter 🙂
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Weiterspinnen ist doch das Schönste, meistens. Danke.
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berührend… und man kann selbst weiterspinnen, schweifen, nachsspüren, vorspüren. sehr schön. leise und intensiv.
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Danke für deine Gedanken, liebe Diana. Du hast sie gesehen, die offenen Enden.
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