Abwesende Geschichten 9
retusche
täuschung also selbst
täuschung wiederholt
bis zum glauben
wo ist wissen
wenn glauben
an das selbst eingebildet
bestenfalls
glück wäre möglich
ohne stand
halten der prüfung
wäre gleich
das ergebnis und
du zufrieden mit
illusion
gäbe es nicht
die frage des
urteils frage
des beweises
nach gerechtem
ungerechtem
vorwurf
Ich bin ganz vernarrt in dieses Thema. Aktuell ist es ja auch en vogue, wenn auch sehr oberflächlich mit diesen Fake-News…. Faszinierend finde ich, wenn Augenzeugen unterschiedliche Aussagen zu einem Vorfall aussagen. Und dass die Aussagen sich im Laufe der Zeit weiter verändern. Was mich auch nicht loslässt, Erkenntnistheorie. Da sagte Karl Popper, es ließe sich nichts endgültig beweisen, es gäbe keine Wahrheit, außer trivialen Tautologien. Dementsprechend begeistert habe ich das Lesen und Denken deines Gedichts genossen.
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Im Grunde ist es ja DAS Thema der Philosophie, da kannst du mit Platon anfangen; und bis heute hat die Frage nach subjektiver/objektiver Erkenntnismöglichkeit und Wahrheit fast jeden Denker umgetrieben.
Es ist ja auch verstörend, wenn man aus seiner kindlichen Selbstgewissheit geworfen wird durch die Erfahrung, dass verschiedene Menschen dieselbe Situation unterschiedlich beschreiben, ohne zu lügen.
Es ist so toll, dass sich in diesem Internet der unfassbaren Plattheiten auch Menschen wie du herumtreiben, die ihren Kopf noch für solche Fragen benutzen!
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Ich bin nicht ganz sicher, ob ich den Text verstehe. Retuschen dürften wir an unseren Erinnerungen immer vornehmen, fürchte ich, das gehört zum Gedächtnis dazu. Vielleicht wäre das Unverfälschte, das Wahre – zumindest auf Dauer gestellt – unerträglich?
Der „vorwurf“ am Ende fällt für mich ein bisschen aus dem Himmel des Gedichts: wer wirft hier wem etwas vor? und wie ist dieser „vorwurf“ an die vorhergehenden Verse syntaktisch anzuschließen? Sind die beiden Dative davor beide als Adjektive aufzufassen? „nach gerechtem ungerechten“ könnte ja auch als Kombination von attributivem Adjektiv und substantiviertem Adjektiv gemeint sein, aber dann stünde der „vorwurf“ ganz einsam am Ende (vielleicht stehe ich aber auch nur auf dem Schlauch).
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Die dritte Strophe formuliert die Bedingung/ Einschränkung für den Konjunktiv in der zweiten; das mögliche Glück in der Illusion wird gestört durch die Fragen nach Urteil, Beweis und gerechtem/ungerechtem Vorwurf (an wen oder was auch immer man sich notgedrungen falsch erinnert).
Der komplette Zyklus dreht sich ja im Grunde um die Suche nach der unverfälschten, wahren Erinnerung; um die Frage, ob dies überhaupt möglich ist; um Auswege aus dem Dilemma.
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Ah, verstehe. So hatte ich auch versucht zu lesen, nur liegen Urteil, Beweis und Vorwurf für mich nicht auf einer Ebene, deswegen wahrscheinlich mein Problem mit dem Vorwurf. – Aber das Thema ist genial, und es über die Foto-Metaphern zu machen (zumal das Foto eine unverfälschte Erinnerung suggeriert), ist eine sehr schöne Idee.
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Du hast recht: die Reihenfolge ist umgekehrt, wenn man den juristischen Kontext sieht (der sich durch „Urteil“ auch aufdrängt). Aber in lebensgeschichtlichen Prozessen verläuft das nach meiner Erfahrung oft umgekehrt: erst mal wird verurteilt, und anschließend werden Belege draufhin geprüft, ob ein Vorwurf überhaupt gerechtfertigt war. Das ist um so schwieriger, je weiter die Ereignisse zurück liegen.
Die unterschiedliche Ebene der drei Begriffe verstehe ich darüber hinaus nicht.
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Ich hatte bei Vorwurf nicht die juristische Komponente auf dem Schirm, das wäre für mich wahrscheinlich eher die Anklage. Aber so gedacht, wie Du es beschreibst, macht es natürlich Sinn.
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es ist nicht leicht, bei sich zu bleiben; was wird verlangt? dem entsprechen?! was ist imaginär? eigenen weg gehen – und mal sehen? wäre gestern der letzte tag gewesen – wäre ab heute ein neues leben, für chance, mut, egal – mal? vielleicht
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Wahrheit finden geht vielleicht nur mit „mal sehen“ mit allen Randbedingungen. Ein neues Leben muss dabei nicht herauskommen, aber ein neuer Blick darauf vielleicht?
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