Die Sassnitzer Fußgängerbrücke
will ich schon lange in einem Beitrag zeigen. Nun hat ein Geschenk den entscheidenden Schubs gegeben, das auch zu tun. Nicht ganz einfach zu verstehen, wie hier Gedicht und Fotos zusammenhängen, sie tun es aber, und ihr dürft gerne wild fantasieren.
Das Geschenk: ein Buch. Poetisch Denken. Die Lyrik der Gegenwart. Von Christian Metz brillant geschrieben, das erste, grundlegende Kapitel habe ich inzwischen gelesen.
Christian Metz schreibt über den Dichter Steffen Popp, er „siedelt die Gedichte exakt an der Randlage zum Unbegriffenen an, in das sie hinauf-, hinüber- und herunterragen, ohne selbst auf festem Grund zu stehen.“
Diese Randlage findet sich auch hier in Wort und Bild, und es ergeben sich durchaus #Kreuzungen.
Zunächst biete ich euch mal die erste, eher realistische Bildergalerie:
poetischer brückenschlag
für lyrifant
konstruiert die brücke
zu verbinden ufer
per seiltanz schwebend
und ufer
gezippt die verdichtung
gefaltet die stücke
rekombiniert
rufe und rufe
zum anderen ufer
das auch der zeilen
bruch nicht erreicht
und nicht unterdrücke
den widerspruch: die
brücke verbindet
lückenlos unartikulierbar
nur grund und abgrund
stufe um stufe
per fuß
Und nun die etwas stärker verrätselte Galerie:
So hat es sich gelohnt, im Spam zu graben! Heute entdeckte ich über 200 mails im Spam – und darunter dies. Da wär der elektronische Brückenschlag fast eine Teufelsbrück geworden: nur von einem Ufer gebaut – das andere nie erreichend.
Nach all den Kommentaren, die ich hin und her gelesen habe, soll dies erstmal genügen. Ich muss noch einmal in den Spam-Abgrund tauchen und weiter schauen.
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Es gibt kein Verfallsdatum für Brückenschläge, liebe Gerda! Danke für deinen Besuch hier auf der Brücke, und viel Glück beim Entwirren deines Spam- #Wegenetzes 🙂!
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I am intrigued! We live in the age of poetry? I like that idea but it’s hard to believe. The book „Poetic Thinking“ sounds very interesting. I have not heard of Christian Metz. (Maybe if I paid better attention to your bookshelves…). Doing a little searching I came across a quote from a book by a different author called, „The Cinema of Poetry.“ In the book, there’s a discussion about Benedetto Croce, who talked about art being a kind of allowing the truth to come forward just as it is, which is poetry. That rings true to me and immediately makes me wonder where photography fits in. I think that’s what you are addressing here by showing poetic renditions of photographs of a bridge. But I know there are more layers. The translation gets a little messy, but you talk about Popp’s poetry being peripheral, a crossing, up, over and down…all relating perfectly to the bridge. The translation struggles with your poem, but I get that it’s about certain contradictions about crossing a bridge. I can’t understand much more than that from the translation.
The images need no translator; they speak clearly about the bridge’s many possibilities. The reversal of light and dark works well and feels cinematic. Also, the image where the supports are straight up and down but the water is tilted (with the man in the yellow jacket) is very effective.
This is a complex topic! (Incidentally, my interest in poetry lately has been in reading Buddhist-identified poets like Sam Hamill, and a book of poems from monk-poets of ancient China, called The Clouds Should Know Me by Now).
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Christian Metz is more or less specialized on German poetry, actually this book deals with four of the most important postmodern poets of German language (from Austria and Germany). I believe he is right about the „age of poetry“, maybe not in comparison with other fields of interest, but compared with the number and quality of younger (under 60 or so ?) poets of our time to periods of time in 20th century – I think this is about the way he is defining this „age of poetry“. He finds good arguments for the thesis.
Photography in general may not fit in at first sight (not regarding my own special view), but new poetry referring to other media, other languages, pop and rock culture … and embedding all into poems. The bridge is kind of a bit overly used metaphor for poetry, but I have been thinking of using these pictures for a post since such a long time, that I could just not leave my hand off the topic, when trying to melt my impressions of the first chapter of the book with my thoughts about that bridge.
This kind of poetry is something an automatic translator is really unable to deal with – as long as you are not willing to see the outcome as a kind of special automatic poetry that has no connection to the input 😉.
I don’t know more than a crumb of Buddhist poetry, so I can’t say if there is anything to be connected with Christian Metz’s thoughts.
Thank you so much for your deep thoughts about my photos and topic.
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Thank YOU for taking the time to write back in detail, explaining where Metz and his theories fit in the bigger scheme of things. That helps! And no, I’m not looking for the kind of poetry in which the post-translation version bears no relation to the original. 😉
Bridges can be trite metaphors, sure, but not in your hands – no worries about that.
I only mentioned the books I’m reading because they also deal with poetry, but probably, there is not a close relationship between that type of poetry and Metz.
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Yesterday, I found a hint, there might be a connection between Monika Rinck (one of the poets analyzed in Metz’s book) and Rosemarie Waldrop – to give you an analogue English writing poet as an example.
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Deine „verqueren“ Rätselfotos sind sehr fein und zeugen vom künstlerischen Menschen dahinter 🙂
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Danke, Gerhard.
Diese Form der Verarbeitung hat ja mit Fotografie nur noch eingeschränkt zu tun, indem die Aufnahmen das Ausgangsmaterial liefern. Aber ich kann mich letztlich nicht für eine Richtung entscheiden: mir ist die klassische Fotografie ebenso wichtig wie die Gestaltung verfremdeter Bildwelten.
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Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Fotografie zu nutzen.
Wenn ich Keramik fotografiere und dies ansprechend, was ist es dann: Keramik oder Fotografie?
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Zum Glück zwingt uns niemand zu einer ausschließenden Entscheidung.
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„lückenlos unartikulierbar, nur Grund und Abgrund“ – in diesen zwei Zeilen lese ich wieder die „hauchfeine Linie“, die trennt oder verbindet, die den Grund unter den Füßen spüren lässt oder in den Abgrund zieht –
Liebe Ule, sehr mag ich diesen „Brückenschlag“ von Bildern und Poesie, wobei ich ja meist deine Bilder auch als sehr poetisch wahrnehme.
Zu mehr fehlen mir gerade die Worte, vielleicht reichen sie ja auch aus, um dich zu erreichen?!
Herzliche Grüße
Ulli
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Und wie sie mich erreichen, liebe Ulli! Ich danke dir sehr … ja, da steckt auch dein Thema des Verbindenden drin, das ohne das Trennende nicht sinnvoll denkbar ist, und die Kommunikation, die gelingen oder scheitern kann, durch und über Lyrik vielleicht noch stärker als im Alltag.
Einen verbindenden und harmonischen Adventssonntag wünsche ich dir.
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Was für ein toller Beitrag! Gedankenfutter, Bilderwelten und Poesie zugleich! Alles sehr anspruchsvoll! Liebe Ule, hier müsste ich mir sehr viel Zeit nehmen, die ich gerade nicht habe. Deswegen ein paar Assoziationen, vor allem zu deiner letzten Galerie, die ich sehr beeindruckend finde: Gibt’s überhaupt ein Hinüber? Geht’s runter? —Das Negativ: Zieht ein Unwetter auf? Gerüttelt und geschüttelt. Bleich vor Bedenken und Schreck. Ruhe bewahren. —letztes Bild: Immer dunkler, aber wir nähern uns dem Ufer und es gibt ein wegweisendes Licht. Herzlich, Petra
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Liebe Petra, ganz herzlichen Dank für deine spannenden Assoziationen, die einige mir wesentliche Fragen erfassen. Die Relativität jeglicher Gewissheit (scheine sie auch noch so klar)gehört dazu und die beständige Hoffnung auf „ein wegweisendes Licht“.
Danke, dass du Zeit für einen Besuch gefunden hast – ich weiß das zu schätzen (wir „sprachen“ darüber an anderem Ort 🙂).
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‚Auch von mir heute nur kurz: deine Fotos sind absolut toll geworden. Ich mag diese Linien und Verbindungen immer sehr und du hast besonders interessante Ausschnitte gewählt. Deine Kreationen daraus sind gleich noch viel spannender. Sehr rätselhaft, mystisch, fantastisch. Neue, kreative Brückenwelten, die du wort- und bildgewandt weitergesponnen hast.
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Was man so „kurz“ nennt 😉 – danke sehr! Die „(weiter)gesponnenen Brückenwelten“ finde ich wunderbar poetisch.
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Dann hat das müde Hirn doch noch was gutes produziert, das freut mich. Das klappt um die Zeit nicht immer 😉 Ich bin ja eher die Kandidatin für das Visuelle und bin hin und weg von deiner Bildbearbeitung. Du erschaffst immer wieder tolle Fotocollagen- und Montagen. Du hast wirklich ein Händchen dafür, besonders phantasievolle Bildwelten zu kreieren!
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O, danke, danke, danke – verbeug – zu viel des Lobes 😊
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Nein nein, nicht zu viel 🙂
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Grins!
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und hier kommt ein abendliches wie verspätetes „großartig“ auch von mir. ich sagte es ja schon oft (und wiederhole es gerne): deine großartige gabe, bilder & texte zu verknüpfen erfreut jedes (übrigens ebenso leider eher seltene) mal 🙂
ganz herzliche grüße
von deinem simon
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Lieber Simon, wie sehr freue ich mich über deine Besuche und Worte immer, für die ich dir von Herzen danke. Selten: ja, in der letzten Zeit mochten die Worte nicht so fließen, manchmal scheint nur der Bildmodus zu funktionieren in meinem Kopf. Um so glücklicher bin ich, wenn sowas wie der „brückenschlag“ entsteht. Sei herzlich gegrüßt, bis hoffentlich bald
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Nun also noch der versprochene Kommentar: Ich finde das ganz großartig, was die Lektüre von „Poetisch denken“ hier bei Dir da freigesetzt hat. Das poetische Denken im Bild des ‚Brückenschlages‘ zu fassen ist zwar auf den ersten Blick nicht so innovativ, aber es ist so durch und durch Ule Rolff, die Kommunikation ins Zentrum dieses Denkens zu stellen – und was es dann doch zu einem ganz eigenen Bild werden lässt, ist, dass hier nicht nur in die Horizontale (= die Verbindung von „ufer […] und ufer“ – sinnfällig unterbrochen durch die fragile Schwebe des Seiltanzes), sondern schließlich auch in die Vertikale (= „nur grund und abgrund“) gedacht wird. Die Brücke verbindet auch Altes mit Neuem: Dichtung als Intertext, als Kombinationskunst. Die Wortspiele „ufer“/“rufe“ (mit seiner grammatischen Mehrdeutigkeit) und der „zeilen / bruch“ verdeutlichen die Fragilität eines solchen Unterfangens: Wie ist sprachliche Kommunikation überhaupt möglich? Wie möglich ist sprachliche Verständigung überhaupt? – und dass es, wenn überhaupt, auch nur möglich ist, indem der „widerspruch“ zugelassen bleibt (auch so ein Ule-Motiv): ja! Und dieser Widerspruch manifestiert sich denn wohl auch in dem schönen Oxymoron „lückenlos unartikulierbar“ (von dem ich noch nicht ganz sicher bin, ob ich es lückenlos verstanden habe) als der Eigenschaft, mit der die Brücke einzig zu verbinden vermag – und dies denn auch nur äußerst mühsam: „stufe und stufe / per fuß“ (ich hätte hier vermutlich „zu fuß“ gesagt, aber vielleicht hattest Du auch gute Gründe für die Abweichung, die ich noch nicht sehe). Ein guter Wurf! – Die Brückenbilder sind schön, nur hinter die zweite Galerie der Montagen (das ist, wo Du hinwillst, oder?) steige ich noch nicht ganz: das Zirkuläre, das Schiefe, das Kontrastive, der Griff in die Weite – ist es das? Wäre dann natürlich noch ein schöner Kontrapunkt zum Text.
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Ach, es ist einfach immer so toll, dass du all die Dinge bemerkst, die ich in meiner „poetischen Laborarbeit“(Metz) synthetisiere! Sehr großen Dank für deinen großzügig elaborierten Kommentar, du Liebe.
Du hast wohl recht, die Brücke ist schon so abgenutzt, dass man sie kaum noch verwenden kann. Aber hier konnte ich die Finger nicht davon lassen, weil ich diese Bilder schon so lange zeigen möchte, mir aber bis zur Metz-Lektüre der rechte Anschluss fehlte.
Extra für deinen Anspruch des „lückenlosen“ Verstehens habe ich Metzens Popp-Zitat in den Beitrag eingefügt (😊), es scheint in der Programmatik der modernen Lyrik nicht nur zulässig, sondern fast schon gefordert, einen unverstandenen Rest zuzulassen – obwohl ich sagen muss, dass ich deine „Klage“ wegen der Verstehbarkeit nicht immer nachvollziehen kann: Ich erlebe dich als ganz außerordentlich verstehend.
Die Abweichung von „zu fuß“, was ich ursprünglich im Entwurf hatte und wegen des zusätzlichen u auch mochte, habe ich im Interesse eines hoffentlich assoziierend mitgesehenen „vers fuß“ ersetzt, um einen weiteren poetischen Terminus im Text zu verstecken – ob es so funktioniert, scheint aber zweifelhaft.
Die Montagen, teilweise auch Beschädigungen, Regelverletzungen der Bildgestaltung der zweiten Bildserie stehen in viel engerer Beziehung zum Text als die erste, eher dokumentarische Serie: da wird gespiegelt und gedreht, gekreuzt und greift ins Leere, wird positiv zu negativ und das Kleinste zur Hauptsache – so ein Spiegelkabinett an Instabilitäten, die in dem verrutschten Horizont in dem Bild des Radfahrers gipfelt, der halsbrecherisch die gespiegelte Brücke hinabrauscht. Du siehst, das hast du schon gesehen. Und: ich weiß immer noch nicht genau, wo ich hinwill, spüre aber allmählich die richtige Windrichtung.
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„lückenlos unartikulierbar“ als Oxymoron finde ich im Zusammenhang mit sprachlicher Kommunikation sehr interessant.
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genau: es schließt unmittelbar an das „verbindet“ (was Brücken und Kommunikation tun sollten),
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Sehr interessant die ausgebleichten Brückengeher und Bäume vom Café aus ! Aber der Grünleuchtende gefällt mir auch sehr ….
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Danke sehr. Der Grünleuchtende hat es in sich, finde ich: rasant in Abwärtsrichtung, und knapp vor ihm halb versteckt eine britische Flagge (die ich im Moment des Fotografierens überhaupt nicht gesehen habe 😊).
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Ja, die Fahne und dann die Landzunge mit dem Leuchtturm als Gegenbewegung ….. einfach sehr gelungen.
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Freut mich sehr, dass du es siehst … und magst.
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Wow, das hat aber jetzt schnell gewirkt 😉 Adäquater Kommentar folgt demnächst. Grüße von einem müden Lyrifanten … zzzzz!
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Schlaf dir mal den Donnerstag aus den Knochen, du Arme. Gute Nacht.
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