
Heckenbraunellen mag ich. Und meine Freundin Anna Magdalena Hülkenberg mag Heckenbraunellen auch. Sie hat den Anfang einer Geschichte geschrieben. Und der verlockte mich zu dieser Fortsetzung:
… Das klang wie der Spruch in den Trauringen damals – „du bist min“ stand in Lilos Ring, „ik bin din“ in seinem -, so verteilt auf zwei Partner wiesen die Besitzverhältnisse in dieselbe Richtung.
Wieder lachte er, etwas schärfer diesmal, dafür leiser.
Das war ihnen damals gar nicht aufgefallen, doch genauso hatte ihre Beziehung von Anfang an ausgesehen: Von Lilo gehörte ihm nichts, alles floss stets in ihre Richtung und verschwand, wie ein Schwamm saugte sie alles auf, bis sie ihn eines Tages sang- und klanglos verlassen hatte.
Die linke Hand spielte zerstreut mit der feinen Kombizange auf der Fensterbank, während sein Blick aus dem rückwärtsgewandten Innen zurückkehrte, angezogen von einer Bewegung im Garten.
Da war sie, seine Kleine; tief geduckt huschte sie über den Wiesenrand im Schatten der niedrigen Sträucher, die er in den Jahren seiner Einsamkeit nach und nach anstelle der hochstämmigen Rosen von Lilo gesetzt hatte. Inzwischen war aus dem Spießergarten der perfekte Lebensraum für Vögel geworden, und mit besonderer Sorgfalt hatte er für die Bedürfnisse der Heckenbraunellen gesorgt.
Er zupfte einige ausgefallenen Haare von dem grauen Kragen seiner sonst braunen Jacke. In den letzten Wochen wurde die Ernte dieser Sammelaktionen reichhaltiger, obwohl er noch keine Ausdünnung seines Haupthaars feststellen konnte. Wahrscheinlich war es nur die Frühjahrsmauser. Er fühlte Lächeln auf seinem Gesicht, selten benutzte Muskeln, die er umso bewusster spürte.
Er öffnete die Terrassentür und spitzte seine Lippen zu einer kurzen brunella-Strophe, bevor er die Haare im leichten Aprilwind davontreiben ließ. Zufrieden mit diesem Beitrag zum Nestbau trat er zurück, um in der Deckung des Raumdämmers abzuwarten, dass das Vögelchen ihm den diesjährigen Nistort verriet. Trotz der zahlreichen Verstecke im Gestrüpp des Gartens hatte er den noch jedes Jahr herausgefunden. Immer wieder verschwand das Tier im Gebüsch, tauchte nach einer Weile wieder auf, alles sehr erdnah, und meistens zu Fuß.
Die Heckenbraunelle sucht ihre Nahrung geduckt, langsam gehend, niemals im Flug. Mit dem dünnen, schwarzen Schnabel fängt sie im Frühjahr und Sommer Ameisen, kleine Spinnen und Würmer. Zum Winter stellt sie die Ernährung zunehmend um auf kleine Samen und Beeren.
So hatte er es auf einer vogelkundlichen Seite im Internet gelesen, und dieses Tier verhielt sich exakt so, als folge es der Beschreibung.
Immer wieder näherte sich die brunella aber auch seinem Fenster, das dicht von Efeu umwuchert war. Sollte sie in diesem Jahr so nah bei ihm nisten wollen? Hohe Ehre, dieses Vertrauen. Er schloss die Tür lieber wieder, damit die Kleine nicht versehentlich ins Zimmer flog und sich erschreckte.
Als er sich gerade abwendete, um den Kaffeebecher in die Küche zu räumen, hörte er einen weichen, fast heimlichen Aufprall auf der Fensterscheibe.
Sein Herz tat einen Hüpfer, eilig wendete er sich wieder dem Fenster zu und tatsächlich: Es war endlich geschehen! Seine Heckenbraunelle hockte benommen von dem Aufprall auf der Terrasse. Jahrelang hatte er sich auf diesen Moment vorbereitet, und nun konnte er sich seinen größten Wunsch erfüllen.
Schnell trat er hinaus, umschloss sachte, aber gezielt den schier gewichtslosen Körper mit seiner Linken.
Geschockt von dem Unfall war das Vögelchen noch unfähig zu einer Fluchtreaktion. Er fühlte das Herzchen in der samtig warmen Federhülle pochen, und auch sein eigenes Herz hatte den Schlag vor Aufregung beschleunigt, obwohl er genauestens über die nötigen Schritte Bescheid wusste; nun musste er schnell handeln.
Da bei Vögeln die Atembewegungen im Brustkorb etwas anders verlaufen als bei Säugetieren, besteht vor allem bei kleineren Arten erhöhte Erstickungsgefahr bei unsachgemäßer Haltung … Auch bei sehr lebhaften Vögeln muss der Brustabschnitt immer ausreichend Bewegungsfreiheit haben.
Die lange Vorbereitung auf diesen großen Moment zahlte sich nun aus: Sicher hielt er das winzige Körperchen, so dass er gut eins der zarten Beine erreichen konnte. Er legte den federleichten Ring, der seit Jahren auf der Fensterbank seiner Bestimmung geharrt hatte, oberhalb der Krallen um das Bein und schloss ihn vorsichtig mit der feinen Spezialzange.
Die Heckenbraunelle erwachte aus ihrer Schockstarre, wurde unruhig, gut, dass er so schnell und kundig handeln konnte.
Ein letztes Mal betrachtete er den eingravierten Spruch auf dem Vogelring, ohne Lupe war er nur zu lesen, wenn man wusste, was dort stand: beide Teile endlich vereint, „du bist min, ik bin din“, genau wie in seinem eigenen Ring aus schwerem Gold.
Er zwitscherte seiner Liebsten noch eine zärtliche brunella-Strophe vor, dann trat er wieder in den Garten und öffnete die linke Hand.
Als die Heckenbraunelle ins Gebüsch schwirrte, begleitete sie sein Kontaktruf.
Das hast du faszinierend geschrieben, Ule! Für mich eine Geschichtemit dem Thema : Er kann’s nicht lassen oder Nichts dazu gelernt.
Das ist die erste, die ich gelesen habe. Bin gespannt auf die anderen! Herzlich, Petra
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O, toll, dass du mit dieser angefangen hast (du hast gelesen, während wir gerade Tango getanzt haben, übrigens 🙂). Der Anfang stammt von Freundin und Bloggerin Eulenschwinge, so dass ich den Anfang und das Thema nicht selber setzen konnte – ein Versuch im kooperativen Schreiben vor längerer Zeit.
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Danke fürs Rebloggen,liebe Anna!
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Zum 90. übrigens noch alles Gute…😊
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Danke, obwohl etwas verspätet, ist ja schon fast der 91. – wenn ich’s noch schaffe.
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Ein guter Gin ist doch fast Medizin
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Gerne. Aber noch nicht zum Frühstück.
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Zuerst den Tee… Erst ab 5 den Gin😉
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mein Wissen über Vögel ist bescheiden, drum Dank…
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