Gedichte zu Impulsen von fraupaulchen im Mai 2015.
Das Fragezeichen kann weg, es ist geschafft: Jeden Tag ein Gedicht, jeden Tag ein Stückchen Arbeit, ein Hauch Schaffensfreude. Und wenn es ganz gut gelaufen ist: jeden Tag ein paar Menschen, die sich an den Gedichten erfreut haben.

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31.Mai

falling in love
with poetry
over the month
of may

keep on writing in june

let the music
of words
play on

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30.Mai

violas garten
(cento)

duft von thymian
weht mit der brise
wellen von würze
warm in die sinne
taumel und tanz
über und über

hell singen
schweflige kelche
süße und schmelz
zu grüßen die dunkle
schwester zyane
mit überschwang

grenzenlos
sinne und seele
nur kurze weile
gedächtnis
flattert
im wind

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29.Mai

wasser
nie still
plätschert geschwätzig
im fluss auch
ruhend
wispert fort im glas
knistert in
feinen bläschen
atmet

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28.Mai

feierabend

tagessoll erfüllt
ausbruch ins
leben
damit der deckel
nicht an der
falschen stelle hochfliegt

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27.Mai

Der Silberschwan
(Übersetzung von Orlando Gibbons, The Silver Swan)

Der Silberschwan, im Leben ohne Sang,
Im Tode öffnet die verschlossne Kehle;
Er lehnt die Brust an rohrbewachs’nen Strand,
Singt so zuerst und letzt und singt nie mehr:
„Lebt wohl, ihr Freuden; Tod, schließ mir die Augen;
Mehr Gänse nun als Schwäne, Einfalt mehr als Geist“

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26.Mai

Fragebogen X Frage 2
„Wem gehört Ihres Erachtens
beispielsweise die Luft?“ (Max Frisch)

dem schmetterling mit taumel
und tanz von ihr getragen

der singdrossel lied auf wellen
voll schmelz und süße

des blauregen duft in wolken
gehüllt der garten

dem nachbarn mit dem grill
komm ins haus
fenster zu!

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25.Mai

Gruß an RMR

Schmück das Menü
Mit letzten Apfelblüten
Und fächle einen Ton
Von Rosenschimmer dran

Als ein Versprechen
Zukünftiger Sommerfreuden
Auch wenn der Herbst
Schon aus der Ferne weht

Fass dir ein Herz
Gerade jetzt den
Augenblick zu schmecken
Eh du dich müd
mit Ewigkeit begnügst

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24.Mai

unkraut?
(pantun)

wieder die zeit für sündhaftes rot
zeichen für chaos vergänglichkeit liebe
bleibe uns schönheit und freude am leben
zarterer zauber der wildheit im mohn

zeichen für chaos vergänglichkeit liebe
bald nach leuchtenden stunden verblüht
zarterer zauber der freiheit im mohn
flattert im wind auf dem weg aus den beeten

bald nach leuchtenden stunden verblüht
bleibe uns schönheit und freude am leben
flattert im wind auf dem weg aus den beeten
ist wieder zeit für sündhaftes rot

Dramaking
Dramaking

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22./23.Mai

der lachs
kann wenn
er nur schnell
genug wie im flug
ablaicht
wenn er
nur flugs
flussab
zum Meer
kehrt zweimal
durch denselben
fluss reisen aber
er ist auch
nicht jemand
ist er niemand?

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21.Mai

Gärtnerlatein

Hasenlosung auf dem
Rasen: weiß der Gärtner
gleich, wohin

Lücken zwischen Tulpen
zeigen, welche Brocken
lecker sind

Schnelle Einfahrt, kein
Verhoffen, sonst zieht er
die Löffel lang

abgebalgt und ausge-
weidet, kommt die Häsin
in den Topf

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20.Mai

paradiese

thymian in sommerluft
mildes sterngefunkel
stille oder bachs musik
rotwein dicht und dunkel

gäste um den runden tisch
schmausen schwatzen lachen
schreibideen und papier
zeit was draus zu machen

bücherstapel ungelesen
freunde die mir schreiben
arme die mir zuflucht geben
und bis morgen bleiben

„when too perfect, liebe gott böse“
nam june paik (1932-2006)

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19.Mai

foto

gestohlene kindheit
unter totenmaske

verstörte trauer
im vermalten blick

alt vor der zeit
unserer
in der alles
form und markt

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18.Mai

nachtviolenreise
(zu Joseph von Eichendorff „Die Nachtblume„)

nacht ist wie ein stilles meer
in dem nachtviolen treiben
untergehen oben bleiben
schweben strudeln träge leer

um die träume sachte kreisen
und um zauberkerzen welche
mit dem licht der schwefelkelche
wege durch das dunkel weisen

 hin zu nympheninseln fließen
müde mit der dünung landen
bei den hesperiden stranden
die sie singend hell begrüßen

Nachtkerze (Oenothera sulphurea)
Nachtkerze (Oenothera sulphurea)

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17.Mai

Grönland

das wort fällt
durch meinen kopf
in blanke leere
so fern von mir
wie ich

verharrt still
starr eine
schreckensweile

jetzt nicht
fliehen dann
spürst du

helle vokale sirren
fremdes licht
harte konsonanten
gras fels eis
menschenleere
seele der stille

doch fern ist auch
da ein strahl
blaues haus

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16.Mai

twitter, so nett

flüstern geht heut minder plüschig
ohne villa samt salon
keine große herrschaft rüschig
aufgebretzelt zum bonbon

keine treffen im palais
bonjour ma chère, baiser baiser
glas champagner? danke très…
heut genügt uns grüner tee

zwitschern wir in jeder lage
überall, im bus, im bette
ganz allein mit überschwang

– so vergehen unsre tage –
hashtags, links, nur kurze nette
hundertvierzig zeichen lang

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15.Mai

NEBELfuge

einsamkeitsgitarreNEBELNEBELNEBELNEBELNEBELNE
BELNEtraurigkeitsfagottBELNEBELNEBELNEBELNEBEL
NEBELNeinsamkeitsgitarreEBELNEBELNEBELNEBELNE
BELNEBELNtraurigkeitsfagottEBELNEBELNEBELNEBEL
NEBELNEBELNEBELNEeinsamkeitsgitarreBELNEBELNE
BELNEBELNEBELNEBELNEtraurigkeitsfagottBELNEBEL
NEBELNEBELNEBELNEBELeinsamkeitsgitarreNE   –   NE
rondo infernale gedreht unendlich
endlich tonartwechsel LEBEN
LichtTrio
LichtVier
SONNENsonate

Angeregt durch die Begriffe No.3764Nebelfuge und  No.3202 Einsamkeitsoboe  in Monika Rincks http://www.BEGRIFFSSTUDIO.de

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14.Mai

mohnrot
im blick
hindurch
schwarzes herz
in die sinne
aus den augen

wieder zur
dunklen schwester
zyane

und ich
übers jahr
hol aus den
wolken ein anderes
feuer

angeregt durch den tweet
„ich trage seit heute wieder mohnrot in meinem blick“
von frau_wolke @wolkenloft

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13.Mai

Du

schon so lange
mein du
kenne dich gut
nicht gut genug

weißt du
wer du bist
oder machst
du einfach so

wenn dein blick
so nach innen
geht welchen
schmerz findest

du dort
darf ich
hier draußen
nicht wissen

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12.Mai

COGITO ERGO

bin ich
schöpfer oder geschöpf
absicht oder zufall
materie oder energie
oder und ?

bin ich
oder habe ich DNA
ich kann mich
verlieren auch finden
und wo?

kann ich über
das system gültiges
sagen oder
nur fragen
was ich bin?

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11.Mai

Haiku

kein wesen ist dein
schenkt sich für kurze weile
geht fort mit der zeit

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10.Mai

Huchen

Wer hat dir diesen
unmöglichen Namen
gegeben, du Armer?

So profane Klang-
Assoziationen, so
kommst du nie in die
Lyrikliteratur.

Und trotz 1000 Eiern pro
Kilogramm Körpergewicht –
welch eine Maßeinheit
für Familienplanung –

auf der
Roten Liste.
Keine Erfolgsgeschichte

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9.Mai

Helden

Kein Bedarf an Stein- und Bronzefiguren,
Täter, Opfer gieriger Weltfinanzen
Kriegs, als Vorbild ewig missbraucht, verbrannt:
Wer braucht noch Helden?

Viel mehr hinsehn, zuhören, reden, lächeln,
teilen, sorgen, anpacken, helfen, lieben,
frei und stark Verantwortung spüren, handeln:
einfach nur Menschen.

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8.Mai

siebzig

es gibt sie noch
noch
menschen
die finstre zeiten
mit eigenen augen
gesehen haben
noch
die von grauen
sagen können
wenn sie können
so grauenhafte zeit
ist unsagbar

nicht mehr lange doch
noch
gibt es sie

dann
wird schweigen sein
wenn wir nicht
weitersagen

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7.Mai

berauscht

sinne saugen gierig gesang
licht wärme duft
glyzinenhauch betäubt blau

rosen recken knospenköpfe in
wolken von rosa
waldrebengewirr erdbeer-
aroma in champagnerluft

menschen lächeln mir in die
seele grenzenlos
zwischen drinnen und draußen

hagelschauer
zieht grenze neu zurück
zu heißem tee
frostblau glüht der abend

blau glüht
blau glüht

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6.Mai
Für das Material zu dem folgenden Gedicht danke ich Cees Nooteboom. Es stammt aus dem liebenswerten, zweisprachigen Lyrikband
Das Gesicht des Auges
Het gezicht van het oog
aus dem Zyklus Wat er te zien was/Was es zu sehen gab Gedicht 3, Seite 30 und 31
(zwart=schwarz, oog=Auge) der Rest ist auch so verständlich, glaube ich)

Titelseite
Titelseite

hochzeit

de kerk verbrand
rood en dood zwart
leven in het oog
van de dood
unsere schuld im
gedächtnis

wenn du die
frau anschaust
voor de ogen onzichtbaar
waagt niemand

de dans

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5.Mai

#dornseiff 4.50 hoher grad

überaus
das wort
profan
in hohem maß
übermäßig
oder noch höher
4.51 aus
dem haus und
über alle berge
über und über
exorbitant
oder wo
worüber hinaus
will
überaus

dornseiff

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4.Mai

für die ewigkeit
mein fußabdruck
in asphalt weich
von sonnenglut
glasiert mit
sommerregen
gelöschter staub

der duft
vergangen so weit
noch bis dahin

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3.Mai

Spuren

Geheimes
vor Tage gestreut
von der Nacht verschlingen
begierig Laubsauger

Zypressen
zur Wacht Schläge
auf Matten und Polster
für irgendwas haben sie es verdient
Geschlossen die blitzenden Augen der Fenster

Seit hundertdrei Jahren
die Ordnung im Nacken
schiebt die Alte täglich den Rollator
mitten auf der Straße

Hier hinterlässt man keine Spuren

Ordnung bleibt Ordnung bleibt Ordnung

Ich werfe die letzten Blüten auf den Weg

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2.Mai

babel

beton
horizontal vertikal
dreck spurengewirr
geschichtet zu spurlosigkeit
ausweglos unentwegt
gerauschen

alle hören
den schrei
keiner

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1.Mai

op.133

ach früher vogel
was singst du
in meinen traum?

aus langen stillen hebt sich
spiel mit klang
kraft wächst aus spiel
und morgen

im schweben versteckt
sich atemlos melodie
weht mit der brise
auf und ab und auf

fromme klänge
finden keinen frieden
im kampf um zukunft
verhallen nach und nach

wer kann so früh
schon so singen?